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Rejection Sensitive Dysphoria: Warum Kritik bei ADHS besonders wehtut

  • Autorenbild: David Beck
    David Beck
  • 18. März
  • 7 Min. Lesezeit

Wenn schon kleinste Ablehnung zur großen Belastung wird – und wie eine fundierte Diagnostik helfen kann, den Kreislauf aus Unsicherheit und Schmerz zu durchbrechen.


Einordnung: Warum wir über Rejection Sensitive Dysphoria sprechen


Rejection Sensitive Dysphoria (RSD) ist ein Begriff, der in der offiziellen Klassifikation psychischer Störungen nicht auftaucht, sich jedoch in Fachkreisen und innerhalb der ADHS-Community etabliert hat (Dodson, 2017). Er beschreibt eine besonders ausgeprägte Empfindlichkeit gegenüber jeglicher Form von Ablehnung, Kritik oder Zurückweisung. Schon vermeintlich harmlose Kommentare – etwa ein beiläufiges „Das hätte man auch anders lösen können“ – werden als stark kränkend wahrgenommen und können heftige emotionale Reaktionen auslösen.

 

Die Verbindung zu ADHS

 

Viele Erwachsene mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) kennen das Gefühl einer übersteigerten Verletzlichkeit gegenüber Kritik und Zurückweisung. Das liegt unter anderem daran, dass ADHS eng verknüpft ist mit Problemen in der Emotionsregulation und Impulskontrolle (Brown, 2013). Wenn der innere „Filter“ für emotionale Reize ohnehin durch ADHS geschwächt ist, treffen kritische Bemerkungen oft direkt ins Mark. Ein kurzer, flapsiger Kommentar vom Chef oder von einer nahestehenden Person kann gefühlt die gesamte eigene Identität infrage stellen.

 

Bedeutungsdimension von RSD

 

Der Begriff „Dysphoria“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schwer zu ertragen“. Bei RSD führt das zur Erfahrung eines intensiven, oft fast körperlich spürbaren Schmerzes. Betroffene beschreiben, es sei, als würde jede Kritik ein altes, wundes Selbstbild berühren und dieses erneut verletzen. Manchmal treten Gefühle von tiefer Scham auf, begleitet von Selbstzweifeln und innerer Anspannung, die Tage oder gar Wochen anhalten können. Das Phänomen zeigt sich also nicht nur in einer kurzzeitigen Kränkung, sondern kann gravierende Auswirkungen auf das seelische Gleichgewicht haben.


Ursprünge: Woher kommt die besondere Empfindlichkeit bei ADHS?


Biologische und neurologische Hintergründe

 

Bei ADHS sind neurobiologische Systeme beteiligt, die unter anderem für die Regulation von Dopamin verantwortlich sind (Brown, 2013). Dopamin beeinflusst Motivation, emotionale Stabilität und die Fähigkeit, Belohnungen wahrzunehmen. Ein Ungleichgewicht in diesem Botenstoffsystem kann dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, auf Kritik ausgeglichen zu reagieren. Statt nüchtern „Fehler“ oder konstruktives Feedback anzunehmen, interpretieren sie eine kritische Äußerung schnell als fundamental bedrohlich.

 

Zudem legen bildgebende Studien nahe, dass Bereiche im Gehirn, die für die Impulskontrolle zuständig sind – etwa der präfrontale Kortex –, bei ADHS weniger aktiviert sein können. Diese verringerte Aktivität steigert die Anfälligkeit, rasch von intensiven Gefühlen überwältigt zu werden, sei es Wut, Angst oder Scham (Ramsay & Rostain, 2015). So wird jede vermeintliche Ablehnung unweigerlich zu einem hochrelevanten Ereignis, das voller Alarmzeichen steckt.

 

Lernhistorie und frühere Erfahrungen

 

Viele Menschen mit ADHS machen bereits in ihrer Kindheit wiederholt die Erfahrung, nicht „so zu funktionieren“ wie der Rest der Klasse oder Geschwister. Kommentare wie „Du bist zu unkonzentriert!“ oder „Warum kannst du nicht aufpassen?“ werden zum Dauerbegleiter. Auch wenn diese Äußerungen nicht immer böse gemeint sind, hinterlassen sie Spuren. Eine solche soziale Historie prägt das Selbstwertgefühl, sodass das Empfinden entsteht: „Ich bin ständig falsch und werde sowieso kritisiert.“

 

Trifft diese Haltung im Erwachsenenalter auf fordernde Situationen (z.B. Anforderungen des Berufslebens, Partnerschaftsprobleme), kann sich RSD manifestieren. Denn jede neue Kritik oder Zurückweisung wirkt wie eine Bestätigung alter, negativer Überzeugungen. Manche Betroffene reagieren daher mit Rückzug oder Vermeidungsverhalten, aus Angst, erneut gekränkt zu werden.

 

Faktoren im sozialen Umfeld

 

Auch das aktuelle Umfeld kann eine Rolle spielen, wenn es wenig Raum für Fehler oder Schwächen lässt. In manchen Teams oder Beziehungen herrscht ein leistungsorientierter, perfektionistischer Grundton – wer Fehler macht, spürt sofort Missbilligung. Für Menschen mit ADHS und erhöhter Empfindlichkeit wirkt eine solche Atmosphäre wie ein ständiger, emotionaler Stressor. RSD blüht in Kontexten, in denen wenig konstruktive Kommunikation stattfindet und Kritik eher hart oder abwertend formuliert wird.


Alltägliche Folgen: Wenn schon kleinste Kritik alles infrage stellt

Intensität der Gefühle

 

Ein zentrales Merkmal von RSD ist die unverhältnismäßig starke Reaktion auf abwertende Kommentare oder soziale Zurückweisung. Während andere Personen sich bei einer kritischen Bemerkung vielleicht kurz ärgern oder traurig sind, erleben Menschen mit RSD oft eine innere Krise. Dies kann sich äußern in:


  • Plötzlichen Wutausbrüchen: Die innere Anspannung entlädt sich in einem heftigen Ausbruch.

  • Tiefer Niedergeschlagenheit: Ein einziger Kommentar kann das Gefühl vermitteln, „alles sei sinnlos“.

  • Ausgeprägter Scham: Betroffene sehen sich als Versager oder empfinden sich als grundlegend „falsch“ und unwert.


Auswirkungen im Alltag

 

Diese extremen emotionalen Schwankungen wirken sich unweigerlich auf das Berufs- und Privatleben aus. Menschen mit RSD neigen manchmal dazu, sich zurückzuziehen, um eventueller Kritik aus dem Weg zu gehen. Sie geben keine Meinung in Meetings ab oder melden sich nicht bei Gruppenaktivitäten an, aus Angst, am Ende wieder kritisiert oder übergangen zu werden. Gleichzeitig kann das Bedürfnis nach Anerkennung steigen – ein ständiges Schwanken zwischen dem Wunsch nach Bestätigung und der Furcht vor Ablehnung.

 

Langfristige Risiken

 

Im ungünstigen Fall führt RSD zu einer dauerhaften Belastung, die psychische Probleme wie Depressionen, Angststörungen oder sogar Suizidgedanken begünstigen kann (Dodson, 2017). Das Gefühl, nirgendwo wirklich akzeptiert zu werden, ist eine schwere Bürde. Da RSD selbst (noch) kein klar definiertes Krankheitsbild ist, bleibt es in manchen Fällen lange unerkannt. Stattdessen wird das Verhalten der Betroffenen als „überempfindlich“ abgetan – ohne dass sich jemand die tieferen Ursachen anschaut. Dadurch kann der innere Kreislauf aus Scham, Rückzug und erneuter Ablehnung immer weiter fortbestehen.


Wege aus dem Kreislauf: Diagnostik und Therapie


ADHS-Testung als Grundlage

 

Ein Erwachsener ADHS-Test ist oft der erste Schritt, um Klarheit über mögliche neurobiologische Hintergründe zu erhalten. Viele Betroffene versuchen zunächst, ihre „überempfindliche“ Art durch Selbstdisziplin, Coaching oder Gespräche mit Freunden in den Griff zu bekommen – merken aber, dass es langfristig nicht ausreicht. Eine fundierte ADHS-Diagnostik, ob in einer Praxis oder als ADHS-Test online, schafft Fakten:


  • Liegt tatsächlich eine ADHS vor?

  • Handelt es sich um eine Kombination verschiedener Störungen (z.B. ADHS und eine Angststörung)?

  • Welche Behandlungsansätze (z.B. medikamentös, psychotherapeutisch) passen zum individuellen Profil?


Psychotherapeutische Interventionen

 

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)


In der KVT lernt man, die eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu analysieren und aktiv zu verändern. Beim Thema RSD ist das zum Beispiel das Einüben von Selbstreflexion: „Ist diese Kritik wirklich ein Angriff auf meine Person, oder kann ich sie als sachliches Feedback verstehen?“ So wird mit der Zeit das starre Schwarz-Weiß-Denken durch nuanciertere Bewertungen ersetzt.

 

Emotionsregulation und Achtsamkeit


Techniken wie Achtsamkeitsmeditation, progressive Muskelentspannung oder Atemübungen helfen, die aufkommenden Stressreaktionen zu dämpfen. Wer lernt, körperliche Anspannung früh zu erkennen und aktiv zu mindern, kann emotionalen Ausbrüchen (Wut, Scham, Verzweiflung) rechtzeitig entgegenwirken.

 

Aufarbeitung alter Verletzungen


Manchmal ist eine tiefergehende therapeutische Auseinandersetzung wichtig, wenn es in der Vergangenheit viel Kritik und negative Erfahrungen gab. Sich damit zu konfrontieren und diese Wunden anzuerkennen, schafft Raum für Heilung. Dabei können Methoden aus der Schematherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie oder EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) eingesetzt werden, um alte Glaubenssätze zu lockern.

 

Medikamentöse Unterstützung

 

In einigen Fällen wird eine ADHS-spezifische Medikation in Betracht gezogen, etwa Stimulanzien wie Methylphenidat oder Amphetaminpräparate (Ramsay & Rostain, 2015). Diese können helfen, die emotionalen Extreme abzufedern, indem sie die Informationsverarbeitung im Gehirn stabilisieren. Allerdings sollte medikamentöse Behandlung immer in ein Gesamtkonzept eingebettet sein: Psychotherapie, soziales Umfeld und gegebenenfalls Coaching ergänzen die pharmakologische Komponente.


Praxisnahe Tipps: Was Sie selbst tun können


Perspektivwechsel üben

 

Einer der häufigsten RSD-Treiber ist die automatische Annahme, jede Kritik oder Zurückweisung richte sich gegen die eigene Person. Schreiben Sie Situationen auf, in denen Sie sich abgelehnt fühlten, und überlegen Sie anschließend: „Könnte es sein, dass mein Gegenüber einfach einen schlechten Tag hatte oder die Kritik gar nicht so persönlich meinte?“ Häufig zeigen diese Reflexionen, dass die Realität viel komplexer ist, als das eigene Emotionssystem suggeriert.

 

Vertrauen und offene Kommunikation

 

Wenn Ihnen vertraute Personen zur Seite stehen, kann es helfen, sie einzuweihen. Erklären Sie, dass Sie bei Zurückweisung oder kritischen Worten besonders empfindlich reagieren. Bitten Sie Freund/innen oder Partner/innen, Feedback achtsam zu formulieren. Auch am Arbeitsplatz kann eine solche Offenheit manche Konflikte entschärfen, indem Kolleg/innen verstehen, warum eine bestimmte Art von Kritik Sie stärker trifft.


Notfall-Strategien für akute „RSD-Schübe“


  • Atempausen einlegen: Spüren Sie, wie Ärger, Scham oder innere Unruhe aufsteigen? Schließen Sie für einen Moment die Augen und atmen Sie mehrmals tief in den Bauch.

  • Schnelle Ablenkung: Gehen Sie kurz raus an die frische Luft, strecken Sie sich oder trinken Sie ein Glas Wasser. Eine kurze Distanz zur Situation kann Wunder wirken.

  • Selbstberuhigende Sätze: Legen Sie sich im Vorfeld ein paar Sätze zurecht, die Sie sich leise zusprechen können, wenn es „brennt“. Etwa: „Ein Fehler bedeutet nicht, dass ich wertlos bin“ oder „Ich kann aus Kritik lernen und wachse daran“.


Vom Rückzug zum mutigeren Umgang mit Kritik

 

Die meisten Betroffenen berichten, dass RSD nicht von heute auf morgen verschwindet. Doch mit Diagnostik, Therapie und aktiver Selbsthilfe gelingt es vielen, das Schreckgespenst „Ablehnung“ zu entmachten. Ein wichtiger Schritt ist, selbstbewusste Konfrontation zu erlernen: Kritik oder Vorwürfe nicht einfach hinzunehmen oder ihnen auszuweichen, sondern konstruktiv zu hinterfragen und zu akzeptieren, dass Fehler zum Leben dazugehören.

 

Rolle der ADHS-Testung

 

Insbesondere wenn ADHS ein Faktor ist, kann die passende Testung – etwa ein ADS-Test, ein Erwachsenen-ADHS-Test oder eine ADHS-Testung ohne Wartezeit in einer spezialisierten Praxis – ein echter Gamechanger sein. Wer versteht, warum das eigene Gehirn so heftig auf bestimmte Situationen reagiert, sieht sich weniger als „Charakterdefekt“, sondern erkennt neurobiologische Zusammenhänge. Dieses Wissen ist oft das Fundament für mehr Selbstmitgefühl und den Mut, neue Wege im Umgang mit Feedback zu gehen.

 

Mehr Selbstwirksamkeit durch Bewältigungsstrategien

 

Insgesamt gilt: Rejection Sensitive Dysphoria ist nicht einfach eine „Überempfindlichkeit“, sondern eine vielschichtige Herausforderung, bei der neurobiologische, biografische und soziale Faktoren zusammenkommen. Wer diesen Kreislauf durchbricht, entwickelt meist einen nachhaltigeren Selbstwert und kann Selbstzweifel neu bewerten. Damit verbunden ist die Chance, sich künftig offener mit Kritik auseinanderzusetzen und sie als Lernmöglichkeit anstatt als existenzielle Bedrohung zu begreifen.


Ausblick: Wie ein neues Selbstverständnis entstehen kann


Vom Rückzug zum mutigeren Umgang mit Kritik

 

Die meisten Betroffenen berichten, dass RSD nicht von heute auf morgen verschwindet. Doch mit Diagnostik, Therapie und aktiver Selbsthilfe gelingt es vielen, das Schreckgespenst „Ablehnung“ zu entmachten. Ein wichtiger Schritt ist, selbstbewusste Konfrontation zu erlernen: Kritik oder Vorwürfe nicht einfach hinzunehmen oder ihnen auszuweichen, sondern konstruktiv zu hinterfragen und zu akzeptieren, dass Fehler zum Leben dazugehören.

 

Rolle der ADHS-Testung

 

Insbesondere wenn ADHS ein Faktor ist, kann die passende Testung – etwa ein ADS-Test, ein Erwachsenen-ADHS-Test oder eine ADHS-Testung ohne Wartezeit in einer spezialisierten Praxis – ein echter Gamechanger sein. Wer versteht, warum das eigene Gehirn so heftig auf bestimmte Situationen reagiert, sieht sich weniger als „Charakterdefekt“, sondern erkennt neurobiologische Zusammenhänge. Dieses Wissen ist oft das Fundament für mehr Selbstmitgefühl und den Mut, neue Wege im Umgang mit Feedback zu gehen.

 

Mehr Selbstwirksamkeit durch Bewältigungsstrategien

 

Insgesamt gilt: Rejection Sensitive Dysphoria ist nicht einfach eine „Überempfindlichkeit“, sondern eine vielschichtige Herausforderung, bei der neurobiologische, biografische und soziale Faktoren zusammenkommen. Wer diesen Kreislauf durchbricht, entwickelt meist einen nachhaltigeren Selbstwert und kann Selbstzweifel neu bewerten. Damit verbunden ist die Chance, sich künftig offener mit Kritik auseinanderzusetzen und sie als Lernmöglichkeit anstatt als existenzielle Bedrohung zu begreifen.



Literatur


  • Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults: Executive Function Impairments. Routledge.

  • Dodson, W. (2017). Rejection Sensitive Dysphoria in ADHD. ADDitude.

  • Ramsay, J. R., & Rostain, A. L. (2015). Cognitive Behavioral Therapy for Adult ADHD: An Integrative Psychosocial and Medical Approach (2nd ed.). Routledge.

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