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Imposter-Syndrom und ADHS: Hintergründe, Zusammenhänge und wie Sie damit umgehen

  • Autorenbild: David Beck
    David Beck
  • 18. März
  • 4 Min. Lesezeit

Wie ein negatives Selbstbild und innerer Leistungsdruck das Erleben von Hochstapelei befördern.


Junge Frau wirkt gestresst und sitzt mit einem Laptop auf einer Cognac-farbenen Ledercouch

Wenn Selbstzweifel zum ständigen Begleiter werden


Das Imposter-Syndrom – auch als „Hochstapler-Phänomen“ bekannt – beschreibt das Gefühl, dass die eigenen Erfolge nicht verdient sind und man bald als Betrügerin oder Betrüger enttarnt wird (Clance & Imes, 1978). Obwohl Ihre Leistungen objektiv betrachtet beachtlich sein mögen, zweifeln Sie innerlich daran, diese wirklich verdient zu haben. Viele Menschen kennen dieses nagende Gefühl der Unsicherheit, doch bei Personen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) findet sich dafür oft ein besonders „fruchtbarer Boden“.

 

Studien und klinische Beobachtungen zeigen, dass Menschen mit ADHS häufig an wiederholten Selbstzweifeln leiden (Brown, 2013). Zum einen entstehen diese Zweifel, weil sie in ihrem Alltag immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert sind, etwa in der Organisation, Konzentration oder Impulskontrolle. Zum anderen kommt es durch die typischen Leistungsschwankungen zu der Empfindung, man habe „Glück gehabt“, wenn etwas überraschend gut klappt. Genau dieses Wechselbad der Gefühle und Leistungen lässt Betroffene leicht daran glauben, dass sie gar nicht wirklich kompetent sind, sondern eher „durch Zufall“ oder „auf den letzten Drücker“ erfolgreich waren.

Tatsächlich berichten viele Erwachsene, die eine ADHS-Diagnose erhalten haben, von folgenden Merkmalen, die Imposter-Gedanken verstärken können:


  • Hohe Perfektionserwartungen: Sie wollen alles perfekt erledigen, was jedoch häufig an mangelnder Zeitorganisation oder Konzentration scheitert.

  • Prokrastination und Scham: Es fällt schwer, frühzeitig anzufangen, sodass Arbeiten oft erst in letzter Minute gelingen. Zwar werden Ziele häufig doch noch erreicht, aber danach fühlen Sie sich nicht „erfolgreich“, sondern eher erleichtert und unsicher, ob Sie es beim nächsten Mal wieder schaffen.

  • Negative Selbstwahrnehmung: Langjährige Erfahrungen von Kritik, Missverständnissen und eigenen Versäumnissen führen zu einer tief verwurzelten Skepsis gegenüber den eigenen Fähigkeiten (Ramsay & Rostain, 2015).


    All das kann in der Summe dazu führen, dass Sie Ihre Erfolge schlecht anerkennen können. So sind viele mit ADHS konfrontiert mit inneren Stimmen, die ihnen zuflüstern: „Das war nur Glück. Beim nächsten Mal fliegst du auf.“ Dadurch entsteht ein ständiger Druck, sich immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen, was das Phänomen des Hochstapler-Gefühls weiter anfeuert.


Warum ADHS das Imposter-Syndrom begünstigt


ADHS ist mehr als eine bloße Konzentrationsschwäche. Viele Betroffene erleben eine ausgeprägte emotionale Dysregulation und einen oft wechselhaften Selbstwert. Diese Verknüpfung aus emotionalen Turbulenzen und kognitiven Symptomen ist ein Hauptgrund dafür, dass sich das Imposter-Syndrom und ADHS gegenseitig hochschaukeln können (Brown, 2013). Obwohl zur direkten Verbindung von Imposter-Syndrom und ADHS noch keine großen Längsschnittstudien vorliegen, deckt sich das klinische Bild vieler Patientinnen und Patienten mit folgendem typischen Verlauf:

 

  1. Selbstzweifel als Grundgefühl

    Von klein auf sammeln Betroffene häufig Erfahrungen, die ihr Selbstbild negativ färben: wiederholte schlechte Noten, Konflikte wegen impulsiven Verhaltens oder Vergesslichkeit. Diese stetige Konfrontation mit eigenen „Defiziten“ verankert den Gedanken, nicht gut genug zu sein. 

  2. Schwierigkeiten in Schule und Beruf

    Probleme mit Zeitmanagement und Konzentration kommen im Berufsleben und in akademischen Kontexten häufig stark zum Tragen. Kommt es dennoch zu Erfolgen – beispielsweise durch intensives Last-Minute-Arbeiten oder überdurchschnittlich hohes Engagement – fühlen sich Betroffene oft unsicher, ob diese Leistung „verdient“ ist. Das ist ein klassisches Fundament für das Imposter-Erleben.

  3. Vermeintliche Inkonstanz der Fähigkeiten

    Während Außenstehende lediglich Spitzenleistungen sehen („Er oder sie liefert doch tolle Ergebnisse!“), erlebt man selbst eine Achterbahnfahrt an Konzentrations- und Motivationswerten. Der innere Eindruck, „heute lief es halt zufällig gut“, verstärkt das Gefühl, nicht wirklich kompetent, sondern eher „glücksbegünstigt“ zu sein.

  4. Perfektionismus und Prokrastination

    Das Spannungsfeld zwischen hohen Ansprüchen und tatsächlichen Schwierigkeiten in der Umsetzung macht Sie besonders anfällig dafür, Ihren Leistungen zu misstrauen. Perfektionismus treibt an, Prokrastination bremst – am Ende entsteht ein innerer Dialog: „Ich habe es nur in letzter Sekunde gerettet, also war es eigentlich nicht richtig erworben.“


Wer sich in diesem Muster wiederfindet, kann durch eine professionelle ADHS-Testung (z.B. über Hogrefe-Instrumente, wie den HASE oder CAARS) und eine gezielte Therapie mehr Klarheit bekommen. Auch die Einnahme von Medikamenten wie Medikinet adult oder Ritalin im Rahmen einer umfassenden Behandlung kann das Stresserleben reduzieren und so indirekt das Imposter-Gefühl abmildern, indem die alltäglichen Funktionsbeeinträchtigungen besser kontrollierbar werden (Ramsay & Rostain, 2015).


Tipps zum Umgang: Wie Sie Selbstzweifel konstruktiv begegnen


Gerade wenn Sie immer wieder mit Imposter-Gedanken zu kämpfen haben, ist es wichtig, bewusst gegen negative Denkmuster vorzugehen und sich Unterstützung zu holen. Hier einige Empfehlungen, die sich in der Praxis bewährt haben:


  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit einer vertrauten Person (Familie, Freundeskreis oder Therapeut/in) über Ihre Selbstzweifel. Oft erkennt das Umfeld klar, wie viel Kompetenz Sie tatsächlich an den Tag legen.

  • Protokollieren Sie Erfolge: Führen Sie ein „Erfolgstagebuch“ oder nutzen Sie eine App, in der Sie kurz notieren, was Ihnen gelungen ist – sowohl im Beruf als auch privat. Das stärkt die positive Selbstwahrnehmung.

  • Setzen Sie realistische Ziele: Wählen Sie Ziele, die anspruchsvoll, aber erreichbar sind. Reduzieren Sie überhöhten Perfektionismus, indem Sie Meilensteine definieren und sich für Fortschritte belohnen.

  • Therapeutische Begleitung: Eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) kann helfen, unproduktive Denkmuster und Selbstzweifel zu hinterfragen. Spezielle Behandlungsprogramme für Erwachsene mit ADHS berücksichtigen zudem Ihre individuellen Schwierigkeiten mit Organisation und Impulsivität (Brown, 2013).

  • Gezielte ADHS-Diagnostik: Wenn Sie vermuten, dass ADHS bei Ihnen eine Rolle spielt, kann eine professionelle Testung (online oder in einer Praxis) Ihnen dabei helfen, Klarheit über die Ursachen Ihres Erlebens zu gewinnen. Auf dieser Basis lässt sich ein passgenaues Behandlungskonzept entwickeln.


Letztlich zeigt sich in der klinischen Praxis immer wieder, dass das Imposter-Syndrom bei ADHS-Betroffenen ein weit verbreitetes Phänomen ist. Ein konstruktiver Umgang mit beiden Themen – also eine fundierte Diagnostik und eine gezielte psychologische sowie gegebenenfalls medikamentöse Behandlung – legt jedoch den Grundstein, um die innere Überzeugung des „Nicht-Genügens“ abzuschwächen und künftig sicherer aufzutreten.


Literatur

  • Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults: Executive Function Impairments. Routledge.

  • Clance, P. R., & Imes, S. A. (1978). The impostor phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeutic intervention. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 15(3), 241–247.

  • Ramsay, J. R., & Rostain, A. L. (2015). Cognitive Behavioral Therapy for Adult ADHD: An Integrative Psychosocial and Medical Approach (2nd ed.). Routledge.

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