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Hochbegabung und ADHS: Zwischen Genie und Chaos

  • Autorenbild: David Beck
    David Beck
  • 27. März
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Apr.

Wie außergewöhnliches Potenzial auf Konzentrationsschwierigkeiten trifft – und welche Strategien „Twice Exceptional“ Erwachsenen helfen können

Raffaels Schule von Athen.
Raffaels Schule von Athen

Hochbegabung und ADHS – Eine kurze Einführung


Was bedeutet „Twice Exceptional“?


„Twice Exceptional“ (oft als „2e“ abgekürzt) beschreibt Personen, die sowohl hochbegabt sind als auch mit einer Lern- oder Entwicklungsstörung leben (Foley Nicpon, Assouline, & Colangelo, 2013). Im Fall von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) bedeutet das, dass Betroffene nicht nur eine weit überdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit aufweisen, sondern sich zugleich mit Konzentrationsproblemen, Impulsivität und Defiziten im Selbstmanagement konfrontiert sehen (Barkley, 2015).




Warum ist das Thema so relevant?


Menschen mit Hochbegabung und ADHS erleben häufig eine Diskrepanz zwischen ihren intellektuellen Fähigkeiten und der praktischen Umsetzung im Alltag. Einerseits erfassen sie komplexe Sachverhalte schnell oder lösen schwierige Aufgaben mit Leichtigkeit. Andererseits geraten sie durch ADHS-bedingte Strukturprobleme, Prokrastination und Ablenkbarkeit ins Straucheln (Brown, 2013). Diese Diskrepanz führt nicht selten zu Frustration und Selbstzweifeln.


Zwischen Genie und Herausforderung: Typische Probleme


Kognitive Diskrepanz


Hochbegabte Erwachsene mit ADHS werden oft als „chaotisch“ empfunden, obwohl sie intellektuell überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzen (Chamberlin & Perrone, 2017). Während sie tiefe Einsichten oder originelle Ideen haben, fällt es ihnen schwer, Projekte konsequent zu Ende zu führen. Alltägliche Aufgaben wie Terminorganisation oder Dokumentenverwaltung können sich trotz hohem IQ als kräftezehrend erweisen.


Emotionsregulation und Stress


ADHS beinhaltet häufig Schwierigkeiten in der Emotionsregulation. Kombiniert mit der Sensibilität und Intensität einer Hochbegabung, ergeben sich oft starke Stimmungsschwankungen oder impulsive Reaktionen (Foley Nicpon et al., 2013). Betroffene stehen unter einem enormen inneren Druck, ihren eigenen sowie fremden Erwartungen gerecht zu werden – was sie in Dauerstress versetzen kann.


Selbstwert und Leistungserwartungen


Wer hochbegabt ist, steht meist von Kindheit an unter dem Eindruck, leicht Bestehendes zu übertreffen oder besondere Leistungen zu erbringen. Später, wenn ADHS-Symptome den Alltag zunehmend erschweren, fühlen sich diese Personen „unter Wert lebend“ (Lovett & Sparks, 2013). Das Potenzial ist da, aber die exekutiven Funktionsschwierigkeiten blockieren eine reibungslose Entfaltung, was Selbstzweifel und Perfektionismus fördern kann.


Komorbiditäten und mentale Gesundheit


Warum doppelt belastet?


Gerade weil das eigene Talent nicht voll zur Geltung kommt, erleben hochbegabte Erwachsene mit ADHS häufiger depressive Verstimmungen oder Angststörungen (Barkley, 2015). Das ständige Gefühl, hinter den Möglichkeiten zurückzubleiben, frustriert – zumal Außenstehende oft nur das vermeintliche „Versagen“ wahrnehmen.


Burnout und Isolation


In Hyperfokusphasen stürzen sich manche Betroffene mit großer Leidenschaft in Projekte, treiben sich bis an die Grenzen und vergessen, Pausen einzulegen. Die mangelnde Organisation führt nicht selten zu chaotischen Endphasen, Überlastung und dem Gefühl, dem eigenen Leben hinterherzulaufen (Brown, 2013). Das begünstigt Burnout-ähnliche Symptome und kann zu sozialem Rückzug führen, weil man Konflikten und peinlichen Situationen aus dem Weg gehen will.


Alltagstipps und Bewältigungsstrategien


Strukturierung und Zeitmanagement


  • Schrittweises Vorgehen: Zerlegen Sie komplexe Projekte in kleine Etappen.

  • To-do-Listen: Setzen Sie realistische Prioritäten und markieren Sie, was heute wirklich erledigt werden sollte.

  • Digitale Tools: Erinnerungs-Apps, Kalender und Notizprogramme helfen, Vergesslichkeit und Prokrastination zu reduzieren (Brown, 2013).


Achtsamkeit und Emotionsregulation


  • Meditations- und Atemübungen: Kurze Achtsamkeitseinheiten fördern Ruhe, bevor emotionale Impulse hochkochen (Willingham, 2019).

  • Sportliche Betätigung: Regelmäßige Bewegung stabilisiert den Dopaminhaushalt und senkt innere Unruhe.


Stärken bewusst einsetzen


  • Kreative Hochphasen nutzen: Planen Sie Zeitfenster ein, in denen Sie Ihrer Neugier und Kreativität freien Lauf lassen können.

  • Kooperationspartner suchen: Wer Schwierigkeiten in Organisation hat, kann von klar strukturierten Kollegen oder Assistent*innen profitieren (Chamberlin & Perrone, 2017).


Professionelle Begleitung


  • Fundierte Diagnostik: Testverfahren für ADHS, kombiniert mit einer Begabungsdiagnostik, liefern Klarheit, wo Förderung und Entlastung nötig sind (Foley Nicpon et al., 2013).

  • Coaching und/oder Therapie: Ein ADHS-spezifisches Coaching kann Alltagsroutinen optimieren, während eine Verhaltenstherapie hilft, tieferliegende Selbstzweifel und Dysfunktionen zu bearbeiten (Barkley, 2015).


Fazit

Hochbegabung und ADHS zu vereinen, bedeutet, im Alltag eine Balance zwischen außergewöhnlichen Denkleistungen und potenziell chaotischen Strukturen zu finden. Die gleichzeitige Präsenz von schnellem Denken und Konzentrationsschwierigkeiten kann zu massiven Selbstzweifeln führen, ist aber kein auswegloses Dilemma. Wer seine Stärken bewusst nutzt, Rückschläge als Lernprozess begreift und sich gegebenenfalls professionelle Unterstützung holt, kann das „Twice Exceptional“-Sein in einen echten Vorteil verwandeln.


Die Kunst besteht darin, die Energie der Hochbegabung zu kanalisieren und ADHS-bedingte Hindernisse durch Strategien wie strukturierte Tagesabläufe, Achtsamkeit und gesunde Kooperation zu mildern. So lässt sich das Potenzial entfalten, ohne ständig am eigenen Anspruchsdenken zu scheitern – und letztlich gelingt dann der Spagat zwischen Genie und geordneter Lebensführung.







Literaturverzeichnis


  • Barkley, R. A. (2015). Attention-Deficit Hyperactivity Disorder: A Handbook for Diagnosis and Treatment (4th ed.). New York, NY: Guilford Press.

  • Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults: Executive Function Impairments. New York, NY: Routledge.

  • Chamberlin, S. A., & Perrone, F. (2017). Twice-exceptional learners: The intersection of giftedness and ADHD. In S. R. Smith (Ed.), Giftedness and talent in the 21st century: Explorations of issues and contexts (pp. 59–74). Cham, Switzerland: Springer.

  • Foley Nicpon, M., Assouline, S. G., & Colangelo, N. (2013). Twice-exceptional learners: A decade of progress. High Ability Studies, 24(1), 1–25.

  • Lovett, B. J., & Sparks, R. L. (2013). The identification and performance of gifted students with learning disability diagnoses: A quantitative synthesis. Journal of Learning Disabilities, 46(4), 304–316.

  • Willingham, T. (2019). Neurodiversity in the gifted population: Addressing the challenges of 2e learners. Gifted Child Today, 42(2), 78–85.

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